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Bergmannkiez wird erster „Superblock“ Berlins

Future
Berlin – 21. Januar 2020

Bereits in den 1990ern verbannte Barcelona aus bestimmten Wohnvierteln den motorisierten Verkehr. Die sogenannten „Superblocks“ der katalanischen Metropole werden seither als Beispiel herangezogen, wie der Verkehr in europäischen Großstädten verringert werden kann. In Berlin erwägt die Politik zurzeit ein Modell, um ausgewählte Zonen im Prenzlauer Berg verkehrsberuhigter zu gestalten – während im benachbarten Bergmannkiez ein Bürgerbegehren längst die Verkehrsberuhigung mittels eines Einwohnerantrags erwirken konnte.

Denkt man an eine Großstadt, dann erklingen direkt laute Motorengeräusche und vor den inneren Augen drängen sich Menschenmassen zwischen Betonfassaden und parkenden Autos. Weltweit wurden Städte für Autos umgebaut und im Gleichschluss dominiert das Auto heute die Stadt. Die Folgen: kritische Emissionswerte, erhöhte Temperaturen und massive Lärmbelästigung. Wie es möglich ist, Autos aus der Stadt zurückzudrängen, zeigt das politische Bestreben der katalanischen Hauptstadt Barcelona.

Die Einwohnerzahl stagniert – die Autodichte steigt

Die katalanische Metropole weist seit Jahren eine konstante Einwohnerzahl von rund 1,6 Millionen auf. Auch wenn die Bevölkerung aufgrund des Wohnungsmangels seit einigen Jahren stagniert, erhöht sich durch die Autodichte durch das Wachstum der Metropolregion exponentiell. Täglich drängt eine Vielzahl an Pendlern ins Zentrum. Eine radikale Lösung gegen die Autoflut fanden Stadtplaner bereits in den 1990ern: Erstmalig sperrten sie einen ganzen Wohnblock für den Durchgangverkehr. Das Quartier Born wurde autofrei und war somit der erste „Superrilles“ (Superblock) Barcelonas.

Superblocks bringen Leben ins Quartier

Die zentralen Viertel der spanischen Metropole sind schachbrettmusterartig gegliedert – als „Superblock“ verstehen sich vier bis neun benachbarte Wohnquartiere, aus deren Straßen Autos zu großen Teilen verbannt wurden. Hinter der Idee verbirgt sich der Grundgedanke, das Quartier als Mischnutzungsfläche zu restrukturieren – Radfahrer und Fußgänger erhalten hier Vorrang. Zwar ist es Anwohnern und Lieferanten erlaubt, in Schritttempo durch die Blöcke zu fahren – abbiegen dürfen sie jedoch nur nach links. Mittlerweile existieren fünf solcher Blocks in Barcelona – und es sollen noch mehr werden. Die Verdrängung des mobilisierten Individualverkehrs hat weitreichende Folgen für die Gestalt des Stadtraums. Neben dem Ausbau von Fuß- und Fahrradwegen lässt die Stadt Spiel- und Fußballplätze errichten und Grünflächen anlegen – Picknicktische laden Anwohner zum Verweilen im öffentlichen Raum.

Berliner Vorhaben nach dem spanischen Vorbild nehmen 2020 Fahrt auf

Inspiriert vom Superblock-Konzept wird zurzeit durch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Berlin ein angelehntes Vorhaben initiiert. Unter den Titel „Mehr Raum zur Entfaltung – attraktive Wohnviertel durch Entschleunigung“ wurde im Oktober 2019 auf Empfehlung des BVV-Verkehrsausschusses ein Antrag der SPD-Fraktion angenommen. Der BVV-Beschluss bestimmte acht Wohnquartiere im Prenzlauer Berg, die von den Bezirksverordneten für den Modellversuch infrage kommen. Eine Machbarkeitsstudie soll grünes Licht für die weitere Planung geben. Anschließend prüft die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz gemeinsam mit BVG und Polizei, inwieweit die Umstrukturierung des Modellquartiers in ein System von Einbahnstraßen umzusetzen ist.

Bürger setzen sich durch

Wie Bürger ihr Viertel ohne langwierige politische Prüf- und Testphasen vom motorisierten Verkehr befreien, zeigt ein Begehren rund um die Bergmannstraße. Hier versuchen Anwohner bereits seit zehn Jahren, die Straßen sicherer und ruhiger zu machen. „Wir können nicht noch 5 Jahre warten, bis in der Bergmannstraße wieder aufwendige Bauarbeiten anfangen. In Zeiten der Klimakrise müssen wir einen Gang hochschalten. Das heißt, gleich ganze Kieze von der Herrschaft der Autos befreien“, so Pressesprecher Dirk von Schneidemesser von Changing Cities e.V. Dem Antrag der Bewohner des Bergmannkiez nahm das Bezirksamt Friedrichshain – Kreuzberg im Herbst 2019 mit Stimmen der Grünen, der Linken und der SPD an. 1.106 gültige Unterschriften reichten aus, um den motorisierten Verkehr mit kleinen aber effektiven Mitteln aus dem Kiez herauszulotsen. Das gesamte Quartier, inklusive Gneisenau-, Yorck- und Lilienthalstraße, wurde zur verkehrsberuhigten Zone. Gegenläufige Einbahnstraßen, bauliche Hindernisse für Pkw sowie die Umwandlungen von geradlinig kreuzenden Anliegerstraßen zu Schleifenstraßen minimieren den Verkehr – Poller sichern Kreuzungen vor parkenden Autos. Zudem sorgt ein Tausch von Park- und Fahrspur auf den Hauptstraßen für eine geschützte Radinfrastruktur.

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