Zur Website
Direkt zum Inhalt Direkt zur Hauptnavigation

Drei Alpentunnel für Europas Güterbahnen

News
Berlin – 29. Juni 2020

Nach dem 2016 in Betrieb gegangenen Gotthard-Tunnel hat die Schweiz auf der Route quer durch die Alpen nun auch den Ceneri-Tunnel fertiggestellt. Damit gibt es auf der ganzen Linie durch die Eidgenossenschaft eine schnelle, leistungsfähige „Flachlandbahn”, die klimafreundlich Güterverkehr von der Straße holen soll.

Mit dem buchstäblich großen Bahnhof und viel Polit-Prominenz aus ganz Europa war vor vier Jahren der Gotthard-Basistunnel eröffnet worden. Mit seinen 47 Kilometer langen Röhren ist er der Weltrekordhalter unter den Eisenbahntunneln. Da kann der Ceneri-Tunnel, „nur” 15 Kilometer lang, nicht mithalten. Doch erst mit seiner Inbetriebnahme, die planmäßig zum Fahrplanwechsel im Dezember 2020 vorgesehen ist, ist das Projekt der „NEAT”, der Neuen Alpentransversale, vollendet. Das neue Bauwerk durchquert das Ceneri-Gebirge im Tessin zwischen Bellinzona und Lugano. Erster „Testfahrer” war der deutsche Hochgeschwindigkeitszug ICE - S: Zwei Triebköpfe mit zwei Messwagen in der Mitte und fünf weiteren Mittelwagen absolvierten problemlos das „Hochtastprogramm” bis zum zulässigen Spitzentempo in den Röhren von 275 km/h. Wo sich Züge früher über enge Kurven und im Güterverkehr teils mithilfe von Schubloks über die Berge quälen mussten, können sie nunmehr durchgehend auf glatt trassierten Strecken mit minimalen Höhenunterschieden rollen wie sonst nur im Flachland. Unweit der zahlreichen 4000-er Gipfel der Schweiz kommen die Bahngleise gerade mal auf 550 Höhenmeter.

Das macht Reisezüge schnell: Mit 200 km/h werden sie fahrplanmäßig die gesamte Strecke vom Vierwaldstättersee im Norden bis nach Lugano unterwegs sein. Zürich - Mailand zum Beispiel schrumpft auf eine Drei-Stunden-Distanz, 45 bis 60 Minuten weniger als derzeit noch. Auch die Güterzüge kommen schneller durch die Alpen. Das schafft neue Kapazitäten auf der Schiene. Das ist eines der Hauptanliegen der Schweizer Verkehrspolitik. Der Bundesrat in Bern erwartet, dass der Schienengüterverkehr in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent steigt – und damit weiter entscheidend Marktanteile von der Straße auf die Bahn holt. Auf dem gesamten Korridor in- und außerhalb der Tunnel ist das Lichtraumprofil so bemessen, dass Ladungen bis zu vier Meter Eckhöhe sicher transportiert werden können. Das betrifft insbesondere den Kombinierten Verkehr mit Lkw-Aufbauten. In diesem Geschäft erwarten die Schweizer sogar ein Wachstum von 40 Prozent.

Die Projekte der NEAT – parallel zur Gotthard-Route auch noch die Strecke durch den 2007 in Betrieb gegangenen neuen Lötschberg-Tunnel und weiter durch den über 100 Jahre alten Simplon-Tunnel – waren gut 20 Milliarden Euro schwere Investitionen, welche die Schweizer Bürger in mehreren Volksabstimmungen beschlossen hatten. Sie sind die Basis einer „Verlagerungspolitik”, die bereits seit Anfang des Jahrtausends die Reduzierung des Straßengüterverkehrs aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes konsequent vorantreibt. Nicht ohne Stolz verweist das Bundesamt für Verkehr, das Schweizer Verkehrsministerium, darauf, dass bereits heute der die Alpen querende Güterverkehr zu etwa 70 Prozent auf der Schiene abgewickelt wird. Auf den Alpenrouten in Österreich ist es genau umgekehrt, mit 70 Marktanteil der Straße, in Frankreich kommt die Schiene auf dem Weg durch die Alpen nicht einmal auf zehn Prozent.

Die Beseitigung des „topographischen Hindernisses” Alpen sieht die helvetische Politik stets als europäischen Beitrag: Die Basistunnel sind das Herzstück der 1.400 bis 1.500 Kilometer langen Strecken von den Nordseehäfen Rotterdam und Zeebrügge nach Genua am Mittelmeer. Es sind die am meisten frequentierten Güterbahnrouten Europas. Nach Schweizer Angaben wird bereits ein Marktanteil der Schiene von 50 Prozent erreicht – dank der entschlossenen Verlagerungspolitik in Bern. Mit Sorge und einer gewissen Ungeduld verfolgt man zwischen Basel und Lugano, dass die Anschlussstrecken außerhalb der Eidgenossenschaft nicht so schnell wachsen wie erwartet. Das trifft insbesondere auf den Ausbau der Strecke Karlsruhe - Basel zu. Diese ist laut Angaben von DB Netz etwa zur Hälfte fertig gestellt, doch wird es noch einmal mehr annähernd zwei Jahrzehnte dauern, bis die komplette Magistrale für schnelle Personenzüge und den Güterverkehr voll in Betrieb gehen kann. Nach Angaben des Bundesamtes für Verkehr habe man sich mit Bundesverkehrsminister Scheuer darauf verständigt, die Kapazitäten schon vorher zu erhöhen, wo es nur geht. Parallel dazu sucht die Schweizer Politik Alternativen für den Gütertransport zwischen Oberitalien und den Nordseehäfen. Im Visier haben sie nördlich von Basel die linksrheinische Variante durch Frankreich, Luxemburg und Belgien.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zügig in den grünen Neustart

Nach der Corona-Krise weiter so wie bisher? Keinesfalls. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben gerade noch die Kurve gekriegt – die Mobilitätswende im Visier.

weiterlesen

Neue Chance für die Magnetschwebe­technik

Jahrzehntelang stand der Transrapid für eine Zukunftsvision des Reisens. Ein tragischer Unfall auf der Versuchsanlage im Emsland stoppte die Forschung abrupt. In München wird aktuell wieder eine Magnetschwebebahn getestet: eine neue Chance für eine Zukunftstechnik.

weiterlesen