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Kurs halten – auch unter Corona-Bedingungen

News
Berlin – 30. Oktober 2020

Führen steigende Infektionszahlen zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen? Gibt es im ÖPNV ein erhöhtes Infektionsrisiko? Und lässt sich der öffentliche Verkehr nicht nur mit Blick auf das Coronavirus, sondern auch hinsichtlich der Klimaschutzziele langfristig stärken? Diese und weitere Fragen standen im Fokus einer hochkarätig besetzten Videokonferenz, zu der die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) im Rahmen der bundesweiten #BesserWeiter-Kampagne eingeladen hatte.

Die hochkarätige Besetzung bestand im Detail aus Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann, den Hauptgeschäftsführern des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, des Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, sowie aus Prof. Dr. Frank Wagner, Leiter der Charité Research Organisation.

Kurzer Rückblick: Während des Lockdowns haben kommunale Verkehrsunternehmen und Betreiber des Schienenpersonennahverkehrs nahezu 80 Prozent des Bus- und Bahnangebots aufrechterhalten. Mittlerweile sind die Unternehmen wieder bei 100 Prozent angelangt. Dagegen liegen die Fahrgastzahlen im Schnitt nach wie vor gerade einmal bei rund 70 Prozent und damit weit unter Vorkrisenniveau. Nun droht ein erneuter Einbruch: In den letzten Wochen steigen nahezu täglich die Infektionszahlen, aufgrund immer neuer Höchstwerte haben sich Bund und Länder am Mittwoch auf massive Einschränkungen für die nächsten vier Wochen verständigt. In den Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn etwa sind die Auswirkungen bereits deutlich spürbar: Seit Anfang Oktober sind die Buchungen eingebrochen und die Auslastung liegt nur noch bei 50 Prozent im Vergleich zu 75 Prozent im September.

Angebot aufrechterhalten

„Unser Ziel muss es sein, auch in der Krise einen attraktiven ÖPNV anzubieten und damit die Mobilität von Millionen Menschen sicherzustellen“, erklärte Minister Winfried Hermann angesichts der aktuellen Diskussionen um einen Teil-Lockdown. Dem pflichteten auch die anderen Teilnehmer bei. „Wir müssen den Menschen klar machen, dass das Infektionsrisiko in Bussen und Bahnen nicht höher ist als an anderen öffentlichen Orten“, sagte etwa Helmut Dedy, der darauf hinwies, dass das Tragen einer Maske – anders als noch im Frühjahr – mittlerweile zum Normalfall geworden sei. Dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden ist, belegen auch eine Reihe nationaler und internationaler Studien ((https://www.besserweiter.de/wissenschaftsticker-bus-und-bahn.html)), auf die Oliver Wolff verwies. Er stellte zudem die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des VDV unter seinen Mitgliedsunternehmen vor. Demnach sind so gut wie keine Covid-19-Infektionen unter den Mitarbeitenden festgestellt worden – auch nicht bei den Berufsgruppen mit direktem Kundenkontakt: Insgesamt 94 Unternehmen aus ganz Deutschland haben sich bislang an der Umfrage des Branchenverbandes beteiligt. Von den rund 80.000 Mitarbeitern dieser Unternehmen haben sich 233 Personen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, davon ist allerdings nur in neun Fällen eine Infektion während des Dienstes nachzuweisen. „Das ist eine Quote von 0,29 Prozent. In der Gesamtbevölkerung ist sie mit 0,54 Prozent fast doppelt so hoch“, sagte Oliver Wolff. Über ähnliche Ergebnisse berichtete auch Prof. Frank Wagner. In einer gemeinsamen Studie mit der Deutschen Bahn hat die Charité Research Organisation im Zeitraum Juni und Juli rund 1.000 Mitarbeitende der Fernverkehrssparte der DB untersucht. Mit dem Ergebnis, dass sich Mitarbeiter*innen mit vielen Kundenkontakten wie beispielsweise Zugbegleiter*innen nicht häufiger als andere Berufsgruppen anstecken. „Nach unseren bisherigen Erkenntnissen sind Fernverkehrszüge keine Hotspots“, so Prof. Wagner.

Mehr Flexibilität

Die Teilnehmer waren sich einig darin, dass zusätzlich zur Maskenpflicht auch die ständige Frischluftzufuhr bzw. der rasche Luftaustausch, kurze Reisezeiten und erhöhte Reinigungsmaßnahmen wirksame Maßnahmen sind, um das Ansteckungsrisiko im ÖPNV zu minimieren. Doch wie kann es gelingen, trotz der durch weitere Einnahmeausfälle zu erwarteten finanziellen Einbußen ein attraktives Angebot aufrechtzuerhalten und die Menschen zumindest auf längere Sicht für die Fahrt mit Bus und Bahn zu gewinnen? Denn auch darüber war sich die Runde einig: Corona wird die Branche noch mindestens bis ins Frühjahr beschäftigen und das Mobilitätsverhalten der Menschen ggf. auch nachhaltig beeinflussen. Mehr Flexibilität lautet hier eine mögliche Formel. So warb unter anderem Dr. Gerd Landsberg dafür, die Anfangszeiten in den Schulen zu entzerren und damit auch die Situation in Bussen und Bahnen zu den Hauptverkehrszeiten zu entschärfen. Gestaffelte Anfangszeiten in Schulen, mehr Gleitzeit und Homeoffice für Arbeitnehmer böten die Chance, die ÖPNV-Kapazitäten und auch die Spitzenbelastung bei Bus und Bahn abzufedern.

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