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Länderübergreifend mobil: Mit Straßenbahnen über Staatsgrenzen

Future
Berlin – 17. April 2019

Wer ins Ausland reisen möchte, steigt in der Regel ins Flugzeug oder den Zug, nimmt das eigene Auto oder einen Fernbus. In einigen deutschen Grenzstädten pendeln die Menschen hingegen einfach mit der Straßenbahn ins Nachbarland. Hier wird Europa im Alltag gelebt – auch von den Verkehrsdienstleistern.

Vorreiter Saarbrücken: StUB ins Département Moselle

Symbolbild: Vorreiter Saarbrücken: StUB ins Département Moselle

Saarbrücken beschloss im Jahr 1992 als erste deutsche Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg den kompletten Neubau eines Tramsystems. Die beauftragten Planer konzipierten eine Stadt-Umland-Bahn nach dem Karlsruher Modell, um die Region über Stadt- und Ländergrenzen hinweg zu erschließen. Der Einsatz moderner Niederflurfahrzeuge, die sowohl die Gleise des innerstädtischen Tramnetzes als auch die der DB befahren können, ist bis heute eine Besonderheit des Projekts. Auf einer 90 Meter langen Systemtrennstelle vor den Toren der Innenstadt stellen die Trams automatisch die Stromversorgung auf das jeweils andere System um.

Nach knapp zweieinhalb Jahren Bauzeit wurde am 24. Oktober 1997 das erste rund 19 Kilometer lange Teilstück zwischen dem französischen Sarreguemines und der Haltestelle Saarbrücken-Ludwigstraße in Betrieb genommen. Mittlerweile umfasst das Kernstück des Saarbahn-Projektes die rund 44 Kilometer lange Strecke zwischen Sarreguemines und Lebach, deren Bau sowohl vom Bund als auch vom Land nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert wurde. Täglich fahren 43.000 Menschen auf dieser Relation. In den ersten acht Betriebsjahren galt auf der Saarbahn noch ein spezieller Haustarif. Dieser Tarif wurde aufgegeben, weil der kurze Abschnitt ins französische Sarreguemines in den saarVV-Tarif integriert werden konnte. Die Saarbahn erkennt jedoch auch internationale Fahrscheine nach TCV-Tarif an, sofern diese den Streckenabschnitt Saarbrücken Hauptbahnhof – Sarreguemines enthalten.

Nach dem aktuellen Verkehrsentwicklungsplan (VEP) der Landeshauptstadt Saarbrücken wird ein Ausbau der Stadtbahn im Rahmen einer neuen Linie vom französischen Forbach über die Saarbrücker Innenstadt und die Universität in den Stadtteil Dudweiler angestrebt.

Weil am Rhein: Über die EU-Grenze nach Basel

Symbolbild: Weil am Rhein: Über die EU-Grenze nach Basel

Die Verlängerung der Linie 8 der Baseler Verkehrsbetriebe (BVB) bis in die deutsche Nachbarstadt Weil am Rhein war der zweite Bau einer grenzüberschreitenden Tramstrecke innerhalb Europas. Nach einer sechsjährigen Bauzeit wurde der neue Streckenabschitt Mitte 2014 eröffnet. Seitdem rollt die Tramlinie 8 zwischen Weil am Rhein Bahnhof/Zentrum und der Landesgrenze im Regio Verkehrsverbund Lörrach und von der Landesgrenze bis Basel im Tarifverbund Nordwestschweiz.

Inklusive des Baus von zwei Brücken kostete das Projekt rund 86 Millionen Euro – der Anteil des Streckenabschnitts auf deutscher Seite betrug rund 26 Millionen Euro. Aufgrund der Finanzierungshilfe der Schweizer Eidgenossenschaft, des Landes Baden-Württemberg sowie weiterer Finanzierungspartner belief sich der Eigenanteil für die Stadt Weil am Rhein auf 2,6 Millionen Euro. Eine Investition, die sich heute auszahlt: Mit 18,54 Millionen Fahrgästen war die Linie 8 im Jahr 2018 die meist benutze Tramlinie der BVB.

Derzeit setzt sich die Weiler Stadtverwaltung für eine Verlängerung der Tramlinie 8 bis zum Weiler Läublinpark ein. Für diese 1,5 Kilometer lange Erweiterung müssen 20 Millionen Euro investiert werden. Auch in der Weiler Nachbarstadt Lörrach wird aktuell über eine Anbindung an das Baseler Tramnetz nachgedacht. Eine Nutzen-Kosten-Untersuchung soll ermitteln, ob eine Verlängerung der Baseler Linie 6 bis nach Lörrach volkswirtschaftlich sinnvoll wäre. Die Tram könnte hinter der Grenze Lörrach durchfahren und nördlich der Stadt eine geplante Zentralklink anbinden.

Kehl am Rhein: Brückenschlag nach Straßburg

Symbolbild: Kehl am Rhein: Brückenschlag nach Straßburg

Im Frühjahr 2012 verständigten sich die deutsche und die französische Regierung in einem internationalen Vertrag auf die Verlängerung der Straßburger Tram bis Kehl am Rhein. Rund fünf Jahre fuhr die erste Linie D der Straßburger Verkehrsbetriebe CTS durch das Stadtviertel Port du Rhine und weiter über die neu errichtete Trambrücke bis zum Bahnhof Kehl.

Rückenwind bekamen die Vorhabenträger dabei von der Europäischen Union: Vom Bauantrag bis zum Brückenschluss vergingen gerade einmal zweieinhalb Jahre, die Ausschreibung erfolgte unter europäischem Recht. Dies ermöglichte den Vorhabenträgern, eine Kostendeckelung in Höhe von 28 Millionen Euro in die Ausschreibung des Brückenbaus aufzunehmen.

Die Gesamtkosten des Streckenabschnitts von der heutigen Haltestelle Aristide Briand bis zum Kehler Rathaus, inklusive Planung, Grunderwerb und Baunebenkosten, belaufen sich auf 107 Millionen Euro. Bei der Projektfinanzierung übernahmen die Städte jeweils die Kosten, die auf ihrer Seite der Grenze anfielen –auf Kehler Seite betrugen die Baukosten 44,8 Millionen Euro. Die Bundesregierung steuerte insgesamt 19 Millionen Euro aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bei, der französische Staat 10 Millionen Euro. Zudem beteiligten sich das Land Baden-Württemberg und der Straßburger Stadt-Umland-Verband sowie die Gemeinde Kehl und die Europäische Union über den INTERREG-Fonds Oberrhein.

Seit November 2018 befährt die Tram auch die Weiterführung Kehler Bahnhof in die Innenstadt bis vor das Rathaus. Die grenzüberschreitende Tramlinie D ist ein Erfolgsmodell: Werktäglich begrüßen die CTS rund 5.400 Fahrgäste auf der Linie D, an Samstagen sind es sogar 7.100. Rund drei Millionen Fahrgäste haben im ersten Jahr den Rhein in beide Richtungen überquert – fast doppelt so viele Einzelfahrten, wie die beiden Projektpartner in ihrem Kooperationsvertrag prognostiziert hatten.

Frankfurt (Oder): Die nächste Tram ohne Grenzen?

Symbolbild: Frankfurt (Oder): Die nächste Tram ohne Grenzen?

Im Jahr 2006 erteilten 83 Prozent der Frankfurter der Straßenbahn im Rahmen einer Bürgerbefragung eine Abfuhr. Doch seitdem hat sich zwischen Frankfurt an der Oder und dem benachbarten Słubice viel verändert: Im Dezember 2007 fielen an der Stadtbrücke die Grenzkontrollen zwischen Polen und Deutschland weg – seit Ende 2012 verkehrt zwischen Frankfurt (Oder) Hauptbahnhof und dem Platz der Helden in Słubice die stark nachgefragte Buslinie 983. Darüber hinaus haben die Städte einen Beschluss zur grenzüberschreitenden Kooperation verabschiedet. Neben der Entwicklung eines internationalen Bildungsstandorts in der Doppelstadt sowie der Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Beschäftigung sieht das Papier auch eine gemeinsame Stadtentwicklung vor. Erklärtes Ziel der Partnerstädte ist weiterhin der Bau einer Tramlinie über die Oder.

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