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BRENNPUNKT VERKEHRSWENDE

Gegen Klimawandel hilft kein Impfstoff

Position
Berlin – 30. April 2020

Nach Corona kommt die Erderwärmung als nächste drohende globale Naturkatastrophe. Sie zu vereiteln, bleibt das überlebenswichtige Ziel der Mobilitätswende.

„Der Kampf gegen die Pandemie darf jetzt keine Ausrede beim Kampf gegen den Klimawandel sein. Ja, finanzielle Ressourcen sind derzeit knapper denn je. Und ja, für die Dekarbonisierung müssen wir erst mal viel Geld in die Hand nehmen.” Dem engagierten Aufruf des neuen Daimler-Chefs Ola Källenius kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” folgte ein paar Tage später ein beachtenswerter Appell von mehr als 60 renommierten deutschen Unternehmen an die Adresse der Bundesregierung, Maßnahmen zur Bewältigung der Corona- und der Klimakrise „systematisch klimafreundlich” zu gestalten.

Die unterschätzte, schleichende Katastrophe

Die Manager fordern von der Politik das Ziel einer „wirklich nachhaltigen, klimafreundlichen Zukunft”. Dazu zählt die Mobilitätswende für den Verkehrssektor: Abschied von den fossilen Brennstoffen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs zur attraktiven – wie es schon schlagwortartig heißt – „Mobilität as a service”. Sie ist lebenswichtig, überlebenswichtig. Denn sie kann und muss in großem Umfang die Treibhausgas-Emissionen reduzieren und so die Erderwärmung bremsen. Corona, die große Naturkatastrophe, hat im Zeitraffertempo global gewohntes Leben und Arbeiten lahmgelegt, mit noch gar nicht absehbaren Folgen. Mit dem Klimawandel droht eine womöglich noch größere Naturkatastrophe mit weltweiter Zerstörungskraft. Anders als die Pandemie kommt diese Katastrophe gefährlich schleichend. Deshalb wird sie unterschätzt. Von uns allen, weil wir unsere Lebensgewohnheiten am liebsten gar nicht verändern mögen.

Klimaschutz konsequent weiter umsetzen

Schon gibt es Stimmen, die angesichts des weltweiten Absturzes der Wirtschaft den Klimaschutz erst einmal aufs Abstellgleis schieben, die Ziele verwässern wollen. Das kann nicht sein. Bloß kein „Weiter so“, wenn wir Corona in den Griff bekommen haben sollten! Vielmehr müssen wir die knappe verbleibende Zeit konsequent nutzen, die uns die längst begonnene Katastrophe Erderwärmung überhaupt noch lässt. Bezogen auf die Mobilität bedeutet das schlicht und durchaus im Sinne der Wirtschaft: alle Ideen und Investitionen für den Klimaschutz konsequent umsetzen.

Viele selbst ernannte Propheten behaupten jetzt gern, nach der Pandemie „wird nichts mehr so sein wie es war.” Das könnte sich als Trugschluss herausstellen. Befreit von Infektionsängsten wird die Menschheit wieder mobil sein wollen. Es wird wieder gefahren und geflogen. Ob weniger als vorher, weiß keiner. Schließlich gibt es Nachholbedarf für zwischenmenschliche Kontakte ebenso wie für Tapetenwechsel. Und Verkehr wie Tourismus freuen sich über jeden zahlenden Kunden. Aber die Mobilität muss im Sinne des Klimaschutzes „anders” werden.

Mobilität richtig fördern und steuern

Es kommt immer mehr darauf an, den Verkehrssektor richtig zu steuern. Der Anfang ist mit den langfristigen, umfassenden Finanzierungsgesetzen für leistungsfähigen öffentlichen Verkehr mit Bussen und Bahnen als Rückgrat bereits gemacht. Wenn nun auf dem Weg aus der Corona-Krise Wirtschaftsförderung mit Konjunkturprogrammen betrieben wird, muss Klimaneutralität das oberste Ziel sein – von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Engpass-Behebung bei Verkehrsinfrastrukturen und Transportkapazitäten. Die in Klimaschutzdingen bislang eher zögerliche und zerstrittene Politik handelte in der Pandemie rasch und radikal. Nun muss sie auch die Mobilitätswende auf allen Ebenen konsequent regulierend stützen. Können wir uns noch Billigst- und Kurzstreckenflüge oder Billigparken in den Städten leisten? Wäre es nicht sinnvoll, Staus und motorisierte Pendlerströme zugunsten mehr Lebensqualität aufzulösen? Wir brauchen mutige Politik. Denn Treibhausgas-Emissionen führen letztlich genauso auf die Intensivstation wie Karneval oder Après-Ski bei der Virus-Infektion. Und noch etwas sollte nicht vergessen werden: Gegen die Klimakatastrophe wird es nie einen Impfstoff geben.

Foto: Eberhard Krummheuer

Über den Autor

Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.

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