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Brennpunkt Verkehrswende

Mehr Tempo für den Klimaschutz

Position
Berlin – 17. Mai 2021

Immer mehr Busse mit Elektroantrieb, immer mehr Straßen-, Stadt- und U-Bahnen: Trotz der lähmenden Pandemie setzen die Verkehrsunternehmen kontinuierlich auf die Mobilitätswende. Diese wollen noch zulegen. Dafür haben sie Rückenwind aus der Politik.

Die Nachrichten aus dem Corona-Alltag sind fast täglich in vielen Städten und Kreisen zu lesen: Weniger Fahrgäste in Bussen und Bahnen, manch Stammkunde überprüft sein Abo, da die Fahrtanlässe wegen Kurzarbeit oder Homeoffice und in Ermangelung von Freizeitsport, Konzerten und Kino, vorübergehend weggefallen sind. Doch eine neue Studie der Charité zeigt jetzt: Bus- und Bahnfahren erhöht keinesfalls das Ansteckungsrisiko. So müssen die Verkehrsbetriebe und ihre überwiegend kommunalen Eigner an Morgen und Übermorgen denken. An die Zeit „nach Corona”, an die Mobilitätswende für den Klimaschutz. In einer Zeit, in der die schlechten Botschaften alles zu erdrücken scheinen, ist das die gute Nachricht: Ja, die Branche ist auf einem guten Weg.

Der Bus geht voran

Für das Erreichen der seitens der EU nochmals verschärften Klimaschutzziele bis 2030 wird ein deutlich erhöhtes Angebot bei Bussen und Bahnen gebraucht. Expertinnen und Experten sagen: Nicht nur für das Klima, auch für die Luftreinhaltung und für eine ressourcenschonende, platzsparende Mobilität in den Kommunen führt kein Weg an einem stärkeren ÖPNV vorbei. Bund und Länder haben mit verschiedenen Beschlüssen („Klimakabinett“) den Weg dafür bereitet. Da jedoch die Planungs- und Bauzeiten bei der wichtigen Schieneninfrastruktur – auch bei den Stadtbahnen – einige Jahre brauchen, muss der deutlich flexiblere Bus im ländlichen wie auch im städtischen Bereich rasch ausgebaut werden. Das Ziel: Eine deutliche Angebotssteigerung, um den ÖPNV als echte Alternative zum Pkw zu etablieren – gerade da, wo er gegenwärtig noch nicht so stark ist.

Große Kapazitätssprünge werden vom Schienenverkehr erwartet: Er steht vor kräftigem Ausbau und Erneuerung. Die Fachzeitschrift „Urban Transport Magazine” berichtete kürzlich in ihrem alljährlichen Marktüberblick, dass die Auftragsbücher der Industrie mit Bestellungen von Straßen- und Stadtbahnen sowie klassischen U-Bahnen mit annähernd 2.000 Fahrzeugen so gut gefüllt sind, wie lange nicht. Auch wenn es nicht immer komplette Züge, sondern Erweiterungen – etwa um Mittelwagen – sind und ein Teil der Aufträge zunächst als Option vereinbart ist, tut sich in den nächsten Jahren eine Menge für den modernen, attraktiven ÖPNV. Parallel dazu wachsen die Flotten von Batterie- und auch Wasserstoffbussen. Auf der Elektrobus-Messe des VDV im Frühjahr sprach VDV-Vizepräsident Werner Overkamp von rund 500 batterieelektrischen Bussen auf deutschen Straßen, rund 1.500 Hybriden und etwa 50 Brennstoffzellen-Bussen, die auf Wasserstoff zurückgreifen. Für weitere 1.400 E-Busse seien Förderanträge gestellt.

Ein überzeugendes ÖPNV-Angebot

Nicht nur die Flotten sollen wachsen, sondern auch die Infrastrukturen. In vielen Bundesländern, Städten und Regionen gibt es ambitionierte Pläne zum Ausbau des ÖPNV. Mancherorts wird auch schon gebaut. Doch noch nicht überall – und das ist einer der Knackpunkte. Die Politik hat mit dem Ausbau der Fördermöglichkeiten, insbesondere im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), großzügige finanzielle Mittel in Aussicht gestellt. Die müssen nun so schnell und so umfassend wie möglich in konkrete Projekte fließen. Die Branche und mit ihr die Entscheiderinnen und Entscheider in den Rathäusern und Kreistagen müssen Druck und Tempo machen, um Ideen in konkrete Planungen zu bringen und alsbald mit dem Bauen anzufangen. Wenn die in den öffentlichen Haushalten bereit gestellten Gelder nicht verwendet werden, könnte das in der Politik schnell Begehrlichkeiten für andere Ziele und Vorhaben wecken – und die ÖPNV-Förderung ist weg.

Bislang ist die Grundstimmung in der Politik gegenüber Bus und Bahn durchweg positiv. Erst kürzlich haben sich die Länderverkehrsminister dafür ausgesprochen, der Bund möge seine Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr auf 18 Milliarden Euro verdoppeln. Die einleuchtende Erkenntnis dahinter: Mobilitätswende und Klimaschutz brauchen ein für die Autofahrer – also den potenziellen Fahrgästen – überzeugendes alternatives Bus- und Bahnangebot. Mit dichten Zugfolgen und gutem Komfort auf leistungsfähigen Schienenstrecken: Da muss schnellstens umfassend geplant, gebaut und betrieben werden. Für die angestrebte Verdopplung der Fahrgastzahlen braucht es Kapazitäten in den Netzen, beim Rollmaterial und beim Personal. Den drohenden Klimawandel abzuwenden, erfordert Entschlossenheit und konsequentes Handeln. Die Verkehrsbetriebe stehen dabei an vorderster Front.

Foto: Eberhard Krummheuer

ÜBER DEN AUTOR

Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.

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