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Verkehrswende – bitte Kurs halten!

News
Berlin – 14. Mai 2020

Viele Hände werden zurzeit in allen Wirtschaftszweigen gehoben, um finanzielle Hilfen der Regierung zu initiieren – auch solche, die nicht mit dem Prädikat „klimafreundlich“ oder „nachhaltig“ versehen sind. Die Corona-Krise stellt den Klimaschutz und die angestrebte Verkehrswende auf die Probe.

Während der öffentliche Verkehr in Krisenzeiten weiterrollt, schlossen Automobilhersteller zwischenzeitlich deren Werke. Prompt brachten sie eine staatlich subventionierte Kaufprämie als Hilfe für die Branche ins Gespräch, die der Abwrackprämie von 2009 stark ähnelt. Die Prämie solle vor allem klimaschonende Technologien fördern, so BMW-Vorstandschef Oliver Zipse. Unter dem Titel einer „Innovationsprämie“ schmückt sie sich so in einem ökologischen Gewand. Doch beim zweiten Blick entpuppt sich dieses Vorhaben als Sackgasse für die Verkehrswende. Die Kaufprämie wäre ein verheerender Richtungswechsel auf dem Weg zur Verminderung des Autoverkehrs samt Stärkung alternativer Verkehrsmittel – und damit eine Gefahr für das Erreichen der Klimaschutzziele und damit für uns alle.

Imageschaden, Verluste, Konkurrenzkampf

Der ÖPNV dagegen war und ist während der Corona-Pandemie konstanter Leistungsträger und fuhr trotz Milliardenverlusten durch wegbrechende Ticketverkäufe im Sinne des Gemeinwohls weiter. Bis zu sieben Milliarden Euro – je nachdem, wie lange sich die Beschränkungen hinziehen – fehlen den Verkehrsunternehmen deutschlandweit, damit die Krisenzeit gemeistert werden kann. Die Mittel werden gebraucht, um knapp 160.000 Arbeitsplätze zu sichern. Die Branche bewältigt im normalen Tagesgeschäft bundesweit rund 32 Millionen Fahrten pro Tag. Mit jedem Monat kommt etwa eine Milliarde Euro zum Fehlbetrag hinzu.

Dr. Frederic Rudolph, Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut, weiß im selben Maße um die Vorteile des öffentlichen Verkehrs, wie auch um die Schwachpunkte. Bus und Bahn schonen ökologische Ressourcen – der Pkw ist für manche komfortabler. Unter Berücksichtigung aller verbundenen Kosten ist das eigene Auto bei weitem teurer als die Öffentlichen. Ein Umsteigen in den Umweltverbund schont also Geldbeutel und Klima. Dass diese noch vor wenigen Wochen gesellschaftlich klar anerkannte Vorteilswahrnehmung ins Wanken geraten ist, ist bedauerlich. Angesichts der Krise betont er, dass die Gesellschaft weiterhin einen starken ÖPNV braucht. „Als Daseinsvorsorge ist er systemrelevant. Es gibt genügend Menschen, die kein Auto fahren können, noch wollen. Auch die Krise hat gezeigt: Busse und Bahnen müssen fahren.“

„Bitte vergesst nicht die Klimakatastrophe!“

Wie also kann die Position des öffentlichen Verkehrs als Ermöglicher der Verkehrswende zurückerobert werden? „Über das letzte Jahrhundert bildeten die Automobilhersteller ein cooles und begehrenswertes Bild des Autos. Diese Denke ist zum Glück im Wandel. Etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu machen ist mindestens genauso cool. Der ÖPNV ist sexy, ebenso das Fahrrad,“ bezieht Dr. Rudolph Position. Diese Botschaft wieder in den Köpfen der Menschen zu etablieren, ist ein wichtiges Ziel.
Dafür braucht es nicht zuletzt klare Impulse aus der Politik, um die Leistung des öffentlichen Verkehrs zu würdigen und seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Geschieht dies nicht, droht die gute Arbeit der letzten Jahre ihren Erfolg zu verfehlen. In ihrer letzten Kolumne im Stern-Magazin mahnt Klimaaktivistin Luisa Neubauer eine klare Positionierung der politischen Vertreter an: „Wie sehr wollen wir sie denn eigentlich, diese nachhaltige und gerechtere Gesellschaft? Wie ernst ist uns die Sache mit dem Klimaschutz? Und: Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen, um weiterhin die anderen, großen gesellschaftlichen Krisen ignorieren zu können?“ Eine Abwrackprämie stellt auch für sie eine Abkehr des eingeschlagenen Wegs zum Erreichen der Klimaschutzziele dar. Zumal Alternativen existieren.

Eine bessere Lösung: die Mobilitätsprämie

Im Sinne einer ganzheitlichen Lösung muss in der Krise ein Förderungskonzept gefunden werden, das allen Beteiligten des Verkehrssektors hilft – und nachhaltig ist. Auf Basis der Leistungs- und Zukunftsfähigkeit wandten sich daher Verbände der Zivilgesellschaft und NGOs mit der Forderung einer Mobilitätsprämie für Bürgerinnen und Bürger an die Bundesregierung. In einer solchen spiegeln sich nicht nur die Ziele der Verkehrswende wider, sondern auch die unterschiedlichen persönlichen Mobilitätsarten. „Egal ob ÖPNV, Eisenbahn, Fahrrad, Carsharing oder E-Auto, keine der für die Klimaschutzziele essenziellen Verkehrsmittel und deren Anbieter oder Industrien dürfen finanziell in nachhaltige Schieflage geraten,“ betont VDV-Präsident Ingo Wortmann den ganzheitlichen Ansatz einer Mobilitätsprämie. Zumal so auch die Individualinteressen der Bürger berücksichtigt werden: „Insofern unterstützen wir die Idee einer Mobilitätsprämie, mit der die Bürgerinnen und Bürger selber und frei entscheiden können, für welches Verkehrsmittel sie dieses Geld einsetzen.“ Geld, das die Betriebe im öffentlichen Verkehr dringend benötigen. Denn nach der Corona-Krise gilt es mit Klimakrise die wohl noch größere Herausforderung zu bewältigen.

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