Zur Website
Direkt zum Inhalt Direkt zur Hauptnavigation

Weniger Auto, mehr Bus und Bahn

News
Berlin – 26. Juni 2019

Die Bundesregierung will reichlich Geld in die Hand nehmen, um Busse und Bahnen fit für die Verkehrswende mit klimafreundlicher Mobilität zu machen.

Werner Gatzer, langjähriger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hatte den Rotstift des Sparkommissars gar nicht mitgebracht: „Wir wollen die Verkehrswende mitgestalten”, verkündete er der Mobilitätsbranche auf der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Mannheim. An fehlenden Mitteln werde der Ausbau der Infrastrukturen keinesfalls scheitern – im Gegenteil: die vielen Pläne für umweltfreundliche Mobilität müssten im Interesse des Klimaschutzes mit größerem Tempo umgesetzt werden. Im Übrigen drohten sonst hohe Rechnungen aus Brüssel: Wenn die von der EU vorgegebenen Klimaziele verfehlt werden, seien Milliardenbeträge für den Erwerb von Emissionszertifikaten fällig.

„Investieren ist also eine gute Sache”, betonte Gatzer. Er verwies darauf, dass der Verkehrsetat des Bundes von früher zehn Milliarden Euro auf rund 16 Milliarden Euro pro Jahr angestiegen ist. Allein für den Ausbau des Schienennetzes seien durch die nächste Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der DB Netz für einen Zeitraum von zehn Jahren rund 50 Milliarden Euro gesichert. Der Staatssekretär machte deutlich, dass er die Verkehrswende als „gesamtstaatliche Aufgabe” sieht: Neben dem Bund müssten Länder und Kommunen ihre Beiträge leisten. Die Reduzierung der Treibhausgase sei schließlich ein Thema, das „in der Gesellschaft einen viel höheren Stellenwert als andere Themen hat”. So könne der bereits 2011 gegründete Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregierung ausgebaut und intensiver für Investitionen in den Klimaschutz genutzt werden. Sinnvoll sei es, entsprechende Projekte über Zielvereinbarungen abzusichern, damit „wir das Geld zielgenau einsetzen können”.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Grüne) betonte auf der VDV-Tagung ebenfalls die „Herausforderung zum effektiven Handeln” fürs Klima. Möglichst schnell müsse erreicht werden, dass der motorisierte Individualverkehr in den Städten um etwa ein Drittel reduziert wird. Es sei realistisch, dass zumindest dort jeder zweite Weg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem E-Roller zurückgelegt werden könne. Verkehrsberuhigte City-Zonen will Baden-Württemberg deshalb in etwa 500 Orten des Landes einrichten lassen. Ehrgeizige Ziele für den öffentlichen Verkehr: Während die Bundesregierung eine Verdopplung der Fahrgäste im Schienenverkehr anstrebt, habe sich das Land zum Ziel gesetzt, auch für Busse und Bahnen des ÖPNV zweimal so viele Passagiere wie derzeit zu gewinnen.

Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär und Eisenbahn-Beauftragter im Bundesverkehrsministerium, sprach sich in Mannheim dafür aus, den innereuropäischen Flugverkehr durch Hochgeschwindigkeits-Bahnverkehr zurück zu drängen. Bei Reisen, die mit dem Zug in nicht mehr als vier Stunden bewältigt würden, sei das durchaus attraktiv. Die ICE-Strecken Berlin – München und Köln – Frankfurt seien dafür gute Beispiele. Es gebe aber ein „Riesenproblem”: Der Bau von Neubaustrecken werde häufig durch Bürgerproteste torpediert. Das „hier nicht” sei ein spezielles Problem in Deutschland; es fehle an gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz, und das verhindere eine Stärkung des Schienenverkehrs. Ferlemann appellierte an die Kommunalpolitik, sich Neubauprojekten der Bahn nicht zu widersetzen und auch auf ihre Bürger einzuwirken.

„Klimawende ohne Verkehr ist wie Fußballspielen ohne Ball, wir brauchen eine Schubumkehr im Verkehrssektor”, formulierte pointiert Cem Özdemir (Bündnis 90/Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages. Mobilität müsse für alle Bürger da sein: pünktlich, sauber, bezahlbar, umweltfreundlich. „Wer es ernst meint mit der Verkehrswende, braucht einen starken ÖPNV”, und dafür müsse es „passgenaue” Lösungen vor Ort geben. Dazu müsse die Verkehrswende „in den Köpfen der Politik” ankommen. Dort seien die vielen Zwischenschritte zu realisieren, bis eine Verdopplung der Fahrgastzahlen erreichbar wird.

Für die passgenaue Lösung vor Ort ist die Rhein-Neckar-Region mit den Städten Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen und zwei Dutzend Landkreisen ein gutes Beispiel, hatte Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz in seinem Grußwort zur VDV-Tagung betont: „Der ÖPNV ist die tragende Säule für die Verkehrswende in unserer Stadt, in unserer Region.” Vor 15 Jahren hatten sich die Nahverkehrsunternehmen an Rhein und Neckar zur Rhein-Neckar-Verkehr zusammengeschlossen, und in diesen Tagen beschlossen die drei Städte, ihren Konsortialvertrag für den ÖPNV zu verlängern. Kurz: „Das ist eine gute Basis für die Zukunft.”

Das könnte Sie auch interessieren:

Klotzen statt Kleckern

Eine von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina veröffentlichte Stellungnahme macht deutlich, dass kleinräumige Maßnahmen zur Realisierung der Verkehrswende nicht ausreichen. Im Interview erläutert Prof. Dr. Martin Lohse, Leiter der Arbeitsgruppe, die die Stellungnahme erarbeitet hat, den Ansatz der Arbeitsgruppe.

weiterlesen