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Arizona: Fahrerlos ans Ziel

Future
Berlin – 25. Mai 2020

Ob fliegend oder selbststeuernd: Kultautos aus Filmen und Serien stehen für manch eine Zukunftsvision der Automobilbranche. Nun könnte sich ein selbstfahrendes Modell aus dem Land der berühmtesten Filmindustrie in nächster Zukunft als Marktführer erweisen.

In den USA schreitet die Entwicklung eines modernen und sicheren, autonomen Fahrzeugs voran. In Arizona testet die Google-Schwesterfirma Waymo einen autonomen Taxidienst – mittlerweile ganze ohne Sicherheitsfahrer. Bei der Firma, in der Googles Roboterwagen-Programm aufging, wird seit 2009 an der Technik gearbeitet. Mittlerweile haben Waymos Fahrzeuge über 30 Millionen Kilometer auf realen Straßen zurückgelegt und dabei ein umfassendes Sicherheitsprogramm erstellt, dass die Tests und die Entwicklung vollständig selbstfahrender Technologien steuert.

Sicherheit ermöglicht gesellschaftliche Akzeptanz

Bis sich die autonome Technik weltweit durchsetzen kann, müssen die Fahrzeuge sicher und vorausschauend fahren. Denn in der Vergangenheit sorgten Unfälle für Negativschlagzeilen. Sicherheit ist somit eine Grundvoraussetzung, um das Vertrauen der Passagiere in autonome Fahrtechnologien zu gewinnen. Waymo setzt dabei auf ein komplexes System von Hardware, Sensorik und Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von Kameras, Radar und Lidar navigiert sich das fahrerlose Auto durch die Straßen. Der Begriff Lidar setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „light detection and ranging“ und beschreibt eine dem Radar verwandte Sicherheitstechnologie zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung sowie zur Fernmessung atmosphärischer Parameter. Das System unterstützt das Auto dabei, Entfernung, Größe und Richtung der Objekte im Umfeld zu beurteilen, indem es Lichtimpulse sendet und die Zeitspanne bis zu deren Rückkehr misst.

Selbstlernende KI versus Lidar

Lidar-Systeme sind eine noch relativ junge Technik und nicht zwingend notwendig, um autonomes Fahren zu ermöglichen. Der US-amerikanische Konkurrent Tesla etwa setzt vorwiegend auf Hardware und die Fähigkeiten einer selbstlernenden künstlichen Intelligenz (KI). Weil Tesla im Gegensatz zu Waymo eigene Autos verkauft, kann die eigene KI fortlaufend mit neuen Daten aus aller Welt genährt werden. Bisher handelt es sich bei Tesla um autonomes Fahren der Stufe zwei, das heißt: Der Fahrer muss immer bereit sein, ins Fahrgeschehen einzugreifen. Waymo-Fahrzeuge dagegen gleichen zusätzlich 3D-Abbildungen aus der Umgebung laufend mit hochauflösenden Karten ab. So wissen sie, wo sie fahren dürfen, können und sollen – und wo nicht. Diese autonome Fahrtechnologie entspricht der Stufe fünf.

Phoenix ist einer der ersten Teststandorte von Waymo und derzeit die einzige Stadt in den USA mit einer kommerziellen Shuttle-Flotte. Im „Early-Rider-Programm“ des Unternehmens werden Fahrten mit dem Waymo One ganz ohne Sicherheitsfahrer angeboten. Doch ganz einsam ist der Fahrgast trotzdem nicht: Über einen Bildschirm steht er im Kontakt mit einem Mitarbeiter, der Fragen beantwortet, auf besondere Anliegen eingeht und so die Fahrt „begleitet“. Mittlerweile realisiert Waymo Testphasen in fast allen US-Staaten. Zuletzt übte sich die Google-Tochter sogar als Lieferant und transportierte in einem Testlauf Pakete für UPS.

Erleichterung für den Stadtverkehr

Autonome Fahrzeuge sind vor allem in Metropol- und Stadtregionen sinnvoll. Die Straßen sind hier, insbesondere zu Stoßzeiten, stark ausgelastet. Parkplätze sind Mangelware, der Bau weiterer Straßen oder Spuren ist nicht möglich. Der Einsatz von gemeinschaftlich genutzten autonomen Fahrzeugen, zum Beispiel in Form von Taxen und Minibussen, könnte das Verkehrsaufkommen mindern – und die vorhandenen Strukturen des ÖPNV unterstützen und ergänzen.
Eine Verringerung des Individualverkehrs hätte zur Folge, dass sich Parkplätze von einer bloßen Stell- zur Nutzfläche verwandeln ließen. Spielplätze, Fußgängerzonen oder gar Wohnraum könnten gewonnen und die Lebensqualität gesteigert werden. Emissionen würden verringert und die Stadt könnte wortwörtlich aufatmen.
Allerdings ist die Verkehrssituation besonders im städtischen Bereich unübersichtlich. Das vorausschauende Agieren ist deshalb die hohe Kunst des autonomen Fahrens. Viel schwieriger als das Entwickeln und Produzieren physischer Sensoren oder des Autos selbst, ist das Schaffen einer Künstlichen Intelligenz, die den Fähigkeiten der menschlichen Perzeption entspricht. Unser vorausschauender Blick kann Gefahren erahnen und Verhalten von Passanten vorrauschauend deuten. Im Zusammenspiel mit den Sinnen generiert das menschliche Gehirn ständig Informationen, verarbeitet diese und reagiert schließlich entsprechend. Künstliche Intelligenz kann das noch nicht – das ist eine der wesentlichen Hürden, weshalb das vollautonome Fahren immer noch nicht straßentauglich ist.

Sicherheit, Akzeptanz, rechtliche Grundlage

Wann und welcher Hersteller das Rennen auf dem Markt gewinnt, hängt von den verschiedensten Faktoren ab. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Technologie sowie deren Sicherheit und Zuverlässigkeit sind grundlegend. Daneben aber muss auch eine rechtliche Grundlage für den Einsatz auf deutschen Straßen geschaffen werden. Die Lidar-Technik ist mit Blick auf eine vorrausschauende und sichere Fahrweise vielversprechend. Aber sie nimmt noch sehr viel Platz auf dem Fahrzeug ein und ist darüber hinaus auch sehr teuer. Die Zukunft wird zeigen, ob eine massentaugliche Lösung gefunden wird und die hohen Kosten auf lange Sicht tolerierbar sind.

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