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Brennpunkt Mobilitätswende

Raus aus der Unverbindlichkeit!

Position
Berlin – 06. Juli 2021

Starkregen, Blitz und Donner, Hagelkörner, Wasserfluten: Die Klimakatastrophe schickt ihre Vorboten. Viele Warner und Mahner sind alarmiert. Doch die Masse der Menschen ist träge, wenn es um nötige Verhaltensveränderungen geht, und die Politik reagiert oft halbherzig. Mobilitätswende? Ja, da war doch was…

„Wir machen auch Zukunft”. Das erklärte Anke Rehlinger, stellvertretende Ministerpräsidentin des Saarlandes und ambitionierte Verkehrsministerin fast schon beschwörend. Die SPD-Politikerin nutzte eine Pressekonferenz des VDV Südwest zur regionalen Jahresbilanz der Pandemie und ihrer Auswirkungen, um nicht das Virus, sondern die fatale Erderwärmung und ihre Folgen zum Thema zu machen. Die ÖPNV-Branche habe – nicht zuletzt dank des staatlichen Finanz-Rettungsschirmes – in der Covid-Zeit ihre Verlässlichkeit unter Beweis gestellt. Nun dürfe sie aber nicht in Sachen Klimaschutz allein gelassen werden. Rehlinger twitterte ihre Botschaft auch: „Wer immer nach der Bundestagswahl Bundesverkehrsminister:in ist: Ohne deutlich mehr Geld für den ÖPNV werden die Klimaziele im Verkehrssektor nicht erreicht.”

Doch wie so oft im Leben ist Geld nicht alles. In unserer Gesellschaft fehlt es vor allem an der Einsicht und am Gestaltungswillen für die Mobilitätswende. Das Fordern und das Verteilen von Fördermilliarden werden immer wieder ad absurdum geführt, weil bereit gestellte Mittel gar nicht abgerufen werden. Es fehlt an Planungskapazitäten und Projektentwicklung, und das unsäglich komplizierte Baurecht mit schier unerschöpflich wirkenden Widerspruchsmöglichkeiten und einer von Aktenbergen erdrückten Justiz macht aus vielen Projekten immer gleich Jahrhundertvorhaben. Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung, Lebensqualität – das alles bleibt dabei auf der Strecke.

Im beginnenden Bundestagswahlkampf zeigt sich ein weiteres, schwer wiegendes Manko. Klimaschutz taucht in Programmen der Parteien – von Ausnahmen abgesehen – eher vage auf. Der neue RWE-Vorstandschef Markus Krebber sagte es kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Alles zugleich werden wir nicht hinbekommen: Komplett grün zu werden, eine leistungsfähige Industrie zu bewahren, aber nirgendwo ein Windrad aufzustellen.” Selbst wenn viele Verantwortliche in Politik und Wirtschaft mehr Druck machen, bleibt vieles viel zu sehr im Unverbindlichen.

Gerade auch im Verkehrsbereich. Die Bereitschaft zur Verkehrswende sei in Kommunalparlamenten oft nur gering, konstatiert Saarlands Ministerin Rehlinger. Insbesondere im ländlichen Raum werde der ÖPNV vorwiegend als Vehikel des Schülerverkehrs gesehen, und ansonsten fahre der Bus nach Einschätzung der routiniert automobilen Politiker immer dann nicht, wenn man ihn brauche. Diese Vorstellung müsse die Kommunalpolitik hinter sich lassen, meint die Verkehrspolitikerin. Fachleute sind ohnehin davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die klimafreundliche Mobilität im Umweltverbund von Bus, Bahn, Rad und Fußgängern nicht von oben zu verordnen sind: Sie müssten zu allererst in Städten und Kreisen geschaffen werden. Vor Ort, wie es so schön heißt, können die Vorzüge beispielsweise innerstädtischer Flaniermeilen schnell erlebbar werden, für die Bürger selbst und für touristische Besucher.

Jedenfalls dann, wenn die Möglichkeiten der klimaneutralen Mobilität dafür geschaffen werden. Solange aber der Bürger-Aufschrei für jeden abgebauten Parkplatz die Richtschnur des politischen Handelns bestimmt, können wir das alles vergessen. Die Vorboten der Klimakatastrophe werden noch häufiger kommen.

Foto: Eberhard Krummheuer

ÜBER DEN AUTOR

Eberhard Krummheuer fährt seit Kindesbeinen mit Bussen und Bahnen. Erst mangels Familienauto, dann trotz Familienauto. Der öffentliche Verkehr beschäftigt ihn sein Berufsleben lang als Journalist, viele Jahre als Redakteur der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt”. Nun kommentiert er für Deutschland mobil 2030 aktuelle Entwicklungen in Sachen Mobilität und Logistik.

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